NRW-Krankenhausplan tritt mit Widerstand in Kraft
Veröffentlicht: Montag, 31.03.2025 10:15
Es wurde jahrelang verhandelt und gerungen - ab dem 1. April 2025 gilt der neue Krankenhausplan für NRW. Ein Plan, der laut Gesundheitsministerium die Qualität der Patientenversorgung verbessern soll. Es gibt aber massive Kritik.

"Es geht um die bestmögliche Versorgung für die Patientinnen und Patienten." NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann wird seit Monaten nicht müde, das immer wieder zu betonen. In vielen anderen Bundesländern, die über ähnliche Schritte nachdenken, wird gerade sehr genau verfolgt, wie Nordrhein-Westfalen die Krankenhauslandschaft derzeit umkrempelt. War bisher die Anzahl der Betten das Steuerungsinstrument der Landesregierung für die Krankenhäuser im Land, ist es jetzt die Anzahl der Eingriffe. Je mehr Eingriffe einer bestimmten Art, desto mehr Expertise und desto besser die Qualität - das ist die neue Maßgabe. Kliniken, die bei bestimmten Behandlungen keine Mindestzahl nachweisen können, verlieren diesen Leistungsbereich - zugunsten der Häuser, die viele dieser Eingriffe vorweisen können. Und alles soll sich am tatsächlichen Bedarf orientieren. Die Krankenhäuser hätten sich in der Vergangenheit einen "ruiniösen Wettbewerb" um Fallzahlen und Personal geliefert, sagt Laumann. Damit sei jetzt Schluss. Die Krankenhäuser sollen sich "nicht mehr einfach Konkurrenz" machen können und sich gegenseitig Patienten abjagen. "Die Strukturen müssen für die Menschen da sein, nicht die Menschen für die Strukturen", heißt es dazu in einer Erklärung des Gesundheitsministeriums (MAGS). Mehr als 300 Krankenhäuser mit fast 530 Standorten in NRW haben im Dezember ihre verbindlichen Bescheide erhalten.
Einschnitte beim Angebot
Das Ergebnis des neuen Krankenhausplans sind teils drastische Einschnitte - sowohl für die Patientinnen und Patienten, als auch für die Krankenhäuser. Vor allem für die gewinnbringenden Knie- und Hüftprothesen wird die Zahl der Häuser, die solche Eingriffe vornehmen dürfen, drastisch gesenkt - um 36 bis über 60 Prozent. Auch für komplizierte Krebs-OPs, zum Beispiel an Speiseröhren, Bauchspeicheldrüsen oder Eierstöcken wird die Zahl der Krankenhäuser massiv reduziert. Bei Lebereingriffen beispielsweise verkleinert sich die Zahl um etwa 75 Prozent - von 113 auf 29. Bei Geburtszentren zur Versorgung extremer Frühchen wird die Zahl der Krankenhäuser von 46 auf 34 reduziert (weitere Beispiele in unserer Übersicht). Am Ende läuft es darauf hinaus, dass Patienten unter Umständen für einen Eingriff weiter fahren müssen - je komplexer oder lukrativer der Eingriff ist, desto weniger Krankenhäuser dürfen ihn vornehmen. Für bestimmte Leistungen sind Übergangsfristen bis Ende 2025 vorgesehen - beispielsweise in der Kardiologie oder der Orthopädie.

Notfallversorgung und Geburtshilfe bleiben
Keine Abstriche soll es bei der Notfallversorgung geben. Sie soll weiterhin ortsnah bleiben. Ein Krankenhaus mit internistischer und chirurgischer Versorgung soll für 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 20 Autominuten erreichbar sein. Dabei geht es vor allem um Schlaganfälle und Herzinfarkte. Auch die intensivmedizinische Versorgung muss flächendeckend vorgehalten werden. Bei der Geburtshilfe haben fast alle Krankenhäuser die Erlaubnis für Ihre Angebote erhalten. Von 133 beantragten Standorten fallen nur sieben weg.
Leistungsgruppen, Fallzahlen, Versorgungsgebiete
Um die Leistungen den Krankenhäusern gezielt zuzuweisen, wurden vom Ministerium übergeordnete Faktoren bestimmt: Zunächst wurden für Behandlungen und Eingriffe gut 60 verschiedene Leistungsgruppen definiert. Für jede Leistung wurde eine Art Prognose des künftigen Bedarfs erstellt. Zusätzlich wurde eine Art Untergrenze festgelegt, ab der ein Krankenhaus einen Leistungsbereich behalten darf. Zudem wurde darauf geachtet, dass innerhalb der insgesamt 16 Versorgungsgebiete in NRW eine stabile Grundversorgung erhalten bleibt.
Weiterführende Links zum Thema
- Das Interview mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zum Krankenhausplan, könnt ihr euch hier anhören.
- Wer alle Veränderungen im NRW-Krankenhausplan sich in Kürze durchlesen möchte, kann sich hier unsere Kurzzusammenfassung durchlesen.
- Außerdem gibt es einen Plan, den das NRW-Gesundheitsministeriums zur Verfügung gestellt hat, wie die Planung für die jeweiligen Regionen aussieht.
Krankenhäuser wehren sich vor Gericht
Die Reform der Krankenhauslandschaft sorgt für Widerstand. Landesweit sind Kliniken vor Gericht gezogen. Laut NRW-Gesundheitsministerium sind bei den zuständigen Verwaltungsgerichten über 90 Klagen eingegangen. Die Krankenhäuser klagen vor allem, weil ihnen einzelne Leistungen weggenommen wurden. Da die Zeit drängt, weil der Krankenhausplan zum 1. April in Kraft tritt, befinden sich über 40 dieser Klagen in sogenannten Eilverfahren. Die Richterinnen und Richter treffen in diesen Eilverfahren vorläufige Entscheidungen, bevor sie sich die Argumente der Kläger und des Ministeriums genauer anhören.

Klagen sogar teilweise erfolgreich
Im Streit um die Zuweisung einzelner Leistungen hat die Landesregierung bereits Niederlagen erlitten. In vier dieser Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen den klagenden Kliniken Recht gegeben - vorerst.
Konkret geht es unter anderem um die Uniklinik Essen. Sie soll laut Krankenhausplan so gut wie keine Herztransplantationen mehr vornehmen dürfen. Die Richter argumentieren: Die Uniklinik Essen sei führend in Forschung und Lehre für die Transplantationschirurgie. Der Klinik diesen Bereich zu nehmen, stehe im Widerspruch zu dem Ziel, die Behandlung der Patienten zu verbessern. Ein Krankenhaus in Gelsenkirchen und zwei Häuser im Kreis Recklinghausen haben ebenfalls im Eilverfahren Recht bekommen. Sie dürfen vorerst weiter Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse vornehmen. Die Richter bemängelten, dass das Ministerium bei seiner Planung die Fallzahlen falsch berechnet habe.
Streit könnte weitergehen
Das juristische Tauziehen ist damit aber noch lange nicht vorbei. Einerseits ist eine Beschwerde des Ministeriums beim Oberverwaltungsgericht Münster möglich - andererseits folgt auf das Eilverfahren noch das Hauptsacheverfahren, in dem am Ende auch anders entschieden werden könnte.

Ministerium verweist auf Kraftakt
Aus dem NRW-Gesundheitsministerium (MAGS) wird immer wieder auf die Zahl 6.200 verwiesen. Der neue Krankenhausplan umfasse 6.200 Einzelentscheidungen. Damit wird indirekt der Eindruck erweckt, dass etwa 90 Klagen gegen diese Einzelentscheidungen im Verhältnis eher wenig sind. NRW ist das erste Bundesland mit einem solchen neuen Modell. Die Krankenhausgesellschaft, Kassen, Ärzte- und Pflegekammern hätten die Reform mitgestaltet und stünden hinter ihr.
KGNW warnt vor wirtschaftlichen Schieflagen
Doch gerade von der Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) kommen auch besorgte Töne. Vizepräsident Sascha Klein warnte schon im Dezember vor möglichen Schließungen als Folge des Krankenhausplans. Für manche Kliniken bedeute die Umsetzung des Plans, dass sie Abteilungen verlören und möglicherweise ganze Standorte schließen müssten. Wenn ein Krankenhaus in eine wirtschaftliche Schieflage geraten sollte, sei Hilfe nötig, heißt es sinngemäß. In NRW befinden sich momentan 13 Kliniken in einem Insolvenzverfahren.
SPD zweifelt an Einigkeit
Die SPD bezweifelt, die vom Ministerium beschriebene Einigkeit innerhalb des Gesundheitssystems. Wenn sich mehr als 90 Einrichtungen gegen die Pläne des Ministers wehrten, "dann ist das kein Tropfen auf den heißen Stein mehr", sagt Thorsten Klute, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. "Die hohe Anzahl der Klagen zeigt, dass sich die groß verkündete Einigkeit über Laumanns Krankenhausplan langsam aber sicher in Luft auflöst."

Kritik von ver.di in NRW
Die Gewerkschaft ver.di beklagt, dass bei der Reform die Sicht der Beschäftigten zu kurz gekommen sei. Man müsse befürchten, "dass der Systemumbau auf dem Rücken der Beschäftigten erfolge", sagt Susanne Hille, Fachbereichsleiterin Gesundheit bei ver.di in NRW. "Neue Strukturen müssen erst tragfähig sein, bevor alte abgebaut werden - egal ob im ambulanten oder stationären Bereich. Sonst entstehen Versorgungslücken, die sowohl Beschäftigte als auch Patientinnen und Patienten direkt betreffen." Sie fordert eine auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser - das sei "aktuell nicht der Fall. In den letzten vier Jahren wurden in NRW bereits 17 Krankenhäuser geschlossen, weitere 90 Kliniken sind von der Schließung bedroht." Die Frage ist, ob das Personal, das in einem bestimmten Krankenhaus, das Leistungen abgeben musste, automatisch an ein Krankenhaus geht, das mehr von diesen Leistungen anbieten darf. Skeptiker befürchten eine Verschärfung des Personalmangels.
Autor: José Narciandi